Der Quantenwurm
Ich habe eine Ewigkeit gebraucht, um die Wäsche aufzuhängen. Die schwerfällige, rostige Maschine hat gekrächzt und gestöhnt sie hat sich verschiedene Male um die eigene Achse gedreht, ich spreche hier nicht nur von der Waschmaschine. Die Maschine bin ich, es gibt kein menschliches Gespür, keine tiefsinnigen Gedanken bei mir, ich funktioniere einfach. Die Arme haben sich langsam bewegt. Auch die Füße, stockend, holperig.
Der Winter hat gerade erst angefangen und die Tage sind kurz, kalt und nass. Die Wäsche flattert nicht frisch und weiß im Wind über die grüne Wiese. Sie hängt schief, schlaff und lustlos über dem nassen Gras. Sie sieht nicht einmal sauber aus, sondern passt sich dem grauen, dämmrigen Novemberhintergrund an. Ich drehe mich langsam um. Ich setze mich wieder in Bewegung, in die Richtung von den alten Obstbäumen. Vorsichtig, denn wenn ich nach unten schaue, sehe ich die Dinge doppelt. Das muss wieder neu programmiert werden. Ich guck noch mal über die steife Schulter. Die gedämpften Farben, das stille Wetter, die nassen Bäume mit den wenigen Blättern, die schlappe Wäsche.
Dunkle Augen, die mich beobachten.
Nicht ich. Nicht du.
Ich schleife mich mühsam weiter, bis ich auf der Obstwiese ankomme. Hier und dort hängen noch vereinzelte Äpfel an den Bäumen, die meisten liegen verzweifelt auf dem Boden.
Vereinzelt
Verzweifelt
Du hattest eine Störung gemeldet. Deine Brille war weg. Du brauchst sie zum Lesen. Du warst beim Kunden, hast die Brille in einem Besprechungsraum liegen lassen. Es ist dir aufgefallen, als du dich unten beim Ausgang abmelden wolltest. Eine Person ist zum Besprechungsraum gegangen, sie hat für dich nachgeschaut, die Brille jedoch nicht mehr gefunden. Da bist du selber wieder die Treppe hochgegangen, in den Besprechungsraum hinein. Die Brille lag nicht mehr auf dem Tisch. Ein Fehler. Ohne Brille kannst du nichts aufnehmen. Du hast dich in der Tür noch mal umgedreht.
Die Lösung: der genaue Ablauf der Bewegungen musste erneut durchgeführt werden. Du musstest zum Stuhl gehen, dich hinsetzen, tun, als würdest du die Brille abnehmen. Den Arm ausstrecken. Die Brille ablegen. Dann lag sie wieder da.
Du hast sie genommen, sie aufgesetzt. Du bist nach Hause gefahren, zu mir.
Quantenphysik. Die Dinge sind gleichzeitig da und nicht da.
Das müssen wir speichern.
Die meisten Äpfel liegen auf dem Boden und haben schöne Farben. Rot, gelb, pink. Der Busch voller Pfaffenhütchen hält sich auf dem Hintergrund. Er steht still neben dem Stacheldrahtzaun. Er kann die Leuchtkraft seiner Früchtchen nicht einzäunen, sie blitzen gegen die milchige Luft auf. Von weitem sehen sie rot aus, wie Alarmlampen. Wenn man sie ganz nah anschaut, sieht man, dass sie pink sind. Mit einem orangefarbenen Herz. Das Herz ist nicht rot oder pink. Es ist orange, das müssen wir auch speichern.
Wie sehe ich an der Innenseite aus? Ist das mein Herz, das pumpt, mein Körper, der sich völlig anders anfühlt? Der nicht weiter will, so wie ich es gewohnt bin, der sich weigert, einfache Bewegungen auszuführen? Er hat eine lange Zeit nichts machen können. Eine Maschine, die zu lange stillliegt, hat es schwer, wieder anzulaufen. Sie ächzt und knirscht, wenn man sie wieder anmacht. Du könntest genau erklären, warum das so ist. Du kennst Maschinen, bist vertraut mit den Abläufen. Nichts ist technisch zu schwierig für dich, du hast es immer sofort verstanden.
Du bist nicht mehr bei mir. Du bist tot. Man hat mir das so gesagt. Wir waren im Auto unterwegs, wir saßen beide hinten, einer deiner Kollegen ist gefahren. Ich weiß nichts mehr von dem Tag, nur, dass du ein rosafarbenes Hemd anhattest. Keine Krawatte. Es stand dir super. Aber von dem Tag, an dem der Unfall passiert ist, weiß ich weiter nichts mehr. Auch nicht von den darauffolgenden Tagen, keine Erinnerung, kein Erleben. Die Intensivstation muss ein schwarzes Loch sein, es verschluckt alle Empfindungen. Kein Licht, keine Information kann noch heraus. Warst du mit mir zusammen dort? Und wo bist du jetzt? Bist du noch mit einer Maschine verbunden?
Sie atmet dich, sie isst dich, sie trinkt dich. Sie bekommt deine Flüssigkeit, sie gibt dir ihre. Du wirst wie sie und sie wird wie du. Vielleicht hast du es nicht bemerkt. Vielleicht wartest du auf mich, aber keiner weiß, dass du es bist. Ich muss wieder dahin zurück. Ich muss die Intensivstation untersuchen, sie haben dich übersehen. Du siehst anders aus, so wie ich. Du kennst dich mit Maschinen aus. Du hast einen Weg gefunden, den Tod umzuprogrammieren. Ich will zu dir, ich würde dich sofort erkennen.
Ich habe viele Fragen.
Vielleicht bist du hier, und ich bekomme es einfach nicht mit. Es kann sein, dass du neben mir stehst und ich dich nicht sehe. Nicht rieche, nicht spüre. Vielleicht sind meine Sinne noch nicht scharf genug. Oder ich muss nur besser suchen, mich mehr anstrengen. Die Wahrheit hinter den Formen sehen. Wir sind Energie, sagst du. Unendliche Leere. Dann kann es doch sein, dass das Auge etwas nicht wahrnimmt. Weil es müde ist oder sich auf etwas anderes konzentriert. Weil das Auge es nicht gewohnt ist, Energie wahrzunehmen. Noch nicht!
Was hat es zu bedeuten, dass ich alles doppelt sehe, wenn ich nach unten schaue? Das heißt doch, dass es mehrere Lösungen gibt, nicht nur 0 und 1, wie es in mir programmiert wurde. Tod oder Leben.
Ich denke an die Maschine, die seit der Zeit im Krankenhaus präzise und mechanisch in mir arbeitet. Sie lenkt mich. Will ich das? Jedes Detail von mir wird aufgezeichnet, Notizen werden gemacht, Flüssigkeiten werden analysiert. In den Kanälen werden Temperatur und Druck gemessen, es werden Signale wie kurze Elektroschocks durch meinen Körper gejagt. Darauf muss ein Teil von mir reagieren, was auch passiert. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich habe keine Vorstellung davon, wo in der Zeit ich mich befinde, was real ist und was eine neue Konstruktion, entstanden im Schwarzen Loch. Etwas wurde umprogrammiert in mir, und ich bin beim Neustart aus der Zeit gefallen.
Ich bin total abhängig von einer Maschine. Keinen Schritt kann ich noch alleine. Es ist nicht, was ich will.
Aufpassen! Rausgehen! Ich muss mich jetzt richtig entscheiden. Wir müssen den Neustart nochmal durchführen. Die Programme sind nicht richtig installiert.
Kann ich den Tag, an dem ich dich verloren habe, noch mal nachstellen? So wie mit der Brille? Dann brauche ich ein rosafarbenes Hemd. Ich brauche keine Krawatte. Ich brauche dich.
Als sie mich aus dem Krankenhaus entlassen haben, war ich leer. Das einzige, was ich mitgenommen habe, als Baustein für das neue Lebensprogramm, ist die Angst. Andere Programme waren nicht kompatibel.
Ich war wie ein Gespenst, aufgeschreckt. Gejagt, nirgendwo daheim. Absolut verloren. Die Maschinen haben meine Kraft genommen, sie drehen auf Hochtouren. Sie haben sich mit meinem Körper genährt. Sie haben mir dafür etwas von ihrer Mechanik gegeben. Kein guter Tausch. Was man von mir sieht, ist nur die Hülle. Die Mechanik ist verborgen, im kalten Einklang hält sie mich wach, jede Nacht. Ist das bei dir auch so? Bist du auch wach nachts? Bist du bei mir, wenn die Nacht kommt?
Die Leute versuchen, mir zu helfen, sie sind besorgt, sie sind lieb zu mir. Ihre Augen folgen meinen Bewegungen. Ich verstehe sie nicht. Ich vermute, sie sprechen eine andere Sprache, Gott weiß, wie lange ich in dem Krankenhaus war. Vielleicht habe ich einen Quantensprung verpasst. Ist die Erde noch die gleiche? Oder bin ich im Paralleluniversum? Es ist komisch, sich die halbbekannten Gesichter und die besorgten Augen anzuschauen. Den fremden Wörtern zu lauschen.
Aus der Ferne kommen dumpfe Stimmen. Gejagt reden sie, sie zerren an mir. Sie werden lauter, mehr, unruhiger. Es kommt ein Rauschen, immer näher, immer intensiver, bis es mich komplett umgibt und ein Teil von mir ist. Mir ist schwindelig. Die Farben um mich herum verschwimmen, die Stimmen werden immer mehr. Mir wird heiß.
Die Personen müssen stehen bleiben, die Hüte auf den Köpfen, die Hände still neben dem Körper. Keine Bewegung! Alle müssen ernst und still in die Kamera blicken! Der Herr Fotograf muss das Bild sehr lange belichten, es soll schließlich ins Wohnzimmer, in einem dunkelbraunen Holzrahmen an die Wand! Sie sehen alt aus, Sie haben dunkle Ränder unter den Augen, Ihre Haut ist blass und teigig. Ihre Augen sind stumpf. Sie sind gefangen.
Ich bin in der Camera Obscura eingesperrt. Ich falle in die Tiefe. Noch gerade sehe ich, wie sich die Landschaft um mich herum endlos ausdehnt. Dann bin ich schon im Tunnel.
Es ist dämmrig um mich herum und rosa. Hat ein Pfaffenhütchen mich verschluckt, die Frucht einer giftigen Pflanze? Nein. Ich fühle mich wohl, sogar heimisch. Eine feuchte Wärme umgibt mich, eine rote Landschaft. Das ist kein Pfaffenhütchen, aber auch nicht die Camera Obscura. Die stillen traurigen Personen mit den Hüten sind weg. Sie sind wieder in ihrem Holzrahmen an der Wand, in einem Zimmer, dort war ich schon mal, es ist nicht hier. Sie sind wieder starr und sprachlos. Aber ich nicht. Ich kann gehen, ich bewege mich weiter, mühelos.
Was bin ich plötzlich flink und geschmeidig. Ich gleite durch den Tunnel, ich sehe fremde und gleichzeitig vertraute Strukturen, habe das Gefühl, dass ich alles schon kenne. Werde ich schon wieder operiert? Aber hier wird nicht gehackt, geschnitten oder gesägt. Ich darf einfach nur beobachten, und mich hin und her bewegen. Mein Körper ist wunderbar. Kann das sein?
Das, was wie ein Out-of-Body -Experience angefangen hat, wäre damit genau das Umgekehrte. Bin ich in mir selber?
Ich strecke eine Hand aus, das elastische Gewebe gibt zäh nach. Ich bin mir sicher, das ist die Innenseite eines Körpers. Es ist kein Du. Es ist ein Ich. Hier bin ich, von mir selber verschluckt.
Das nennt man introvertiert.
Kein Du, aber ich bin auf dem Weg zu dir. Nicht nur das Hemd, sondern die ganze Welt ist rosa. Und warm. Das könnte doch ein Anfang sein.
Der richtige Weg zeigt sich.
Ich fühle mich fast glücklich hier, auch wenn ich dich nicht sehe. Aber ich spüre dich, du bist in der Nähe.
Hier bin ich schwerelos, keine Hindernisse halten mich zurück. Es gibt keinen schweren Rahmen, keine blassen Gesichter mit dunklen Augen, die ewig warten. Die Photographie kann an der Wand bleiben, in dem kleinen, dunklen Zimmer, ich bin hier.
Ich staune über den regelmäßigen Rhythmus, der hier herrscht, über das geordnete Verhältnis von den Strukturen, über die schönen und komplizierten Bewegungen, die hier ständig und ohne Unterbrechung ausgeführt werden. Alles bewegt sich ruhig, beherrscht und elegant, im gleichen Takt. Das beruhigt mich. Ich freue mich fast, denn hier wohnt nicht die Angst, wie ich dachte. Hier liegt eine ganze Landschaft voller Versprechen. Es kann also doch noch etwas werden.
Ich beobachte mein Inneres. Ich sehe, wie es funktioniert. Jede Aufnahme hilft mir, die Sache besser zu verstehen. Die Bewegungen sind nicht abgehackt und steif, sondern schwebend und elastisch. Wenn ich mich von der Innenseite betrachten kann, habe ich alles schon gewonnen. Das ist gut, hier bleibe ich. Ich bräuchte mir über nichts mehr Sorgen zu machen. Das Leben würde wie geschmiert weiterlaufen, ich bräuchte keine Hilfe mehr. Ich wäre sofort dabei, wenn etwas schief laufen würde, ich würde es merken, lange bevor es an die Oberfläche kommt. Ich könnte einen Hebel umlegen, oder einen Knopf drücken. Diese Maschine würde ich in- und auswendig kennen. Die Wartung, die Instandsetzung, kein Problem für mich, hauteng dabei.
.Die Zeit, die ich hier verbringe, hört nie auf. Es gibt keine andere Zeit, hier ist alles und immer. Hier bin ich, hier sind meine Erinnerungen, hier liegt meine Zukunft, hier bist du. Endlich. Meine Körperzellen haben dich gespeichert. Hier ist die Ewigkeit.
Gerade wenn ich entscheide, für immer hier zu bleiben und mich zu beobachten, kommt ein dringender Gedanke, der sich nicht wegschieben lässt. Wie eine Warnleuchte blinkt dieser Gedanke durch mich hindurch. Exit! Ich muss wieder raus!
Das Verhältnis stimmt nicht. Dieses zurückgezogenes Leben tief in mir ist nicht richtig. Es ist feige und selbstbezogen.
Es gibt keine Alternative, ich muss weiter, den Speicherplatz ausweiten. Ich brauche einen neuen Chip. Ich darf nicht abstürzen.
“Kind, du musst mal raus”, hatte auch Schwester Gaby gesagt. Das sind die einzigen Worte, die aus dem ganzen Stimmengewirr zu mir durchgedrungen sind. Klare Worte von Schwester Gaby. Dein rosafarbenes Hemd. Ein uraltes Familienfoto mit blassen Personen, die von der Angst besessen sind und dunkle Ränder unter den Augen haben. Einzelne Informationen von meiner Umgebung, irgendwo in der Zeit steckengeblieben, auch in meinen Körperzellen gespeichert. Bausteine für eine neue Welt.
Exit! Ein Teil von mir wird wieder aus der Dunkelkammer ausgestoßen. Er liegt an diesem Totensonntag still auf dem nassen Novembergras. Ihm ist nicht kalt. Er kommt langsam in die Welt zurück, das fühle ich. Das bin ich.
Ich mache die Augen auf und sehe, wie das Rosa, das mich so intensiv umgeben hatte, sich nun verdichtet, sich zusammenballt und langsam von brauner, frisch umgewühlter Erde umgeben wird. In der Mitte meines Sichtfeldes betrachte ich die rosa Konzentration, die Essenz meines inneren Körpers, wunderschön, glatt, nass, glitschig. Sie sieht nicht wie eine Maschine aus. Sie zieht sich zusammen und wieder auseinander, langsam und würdevoll, im festen Rhythmus. Sie bewegt sich auf ihre besondere Art immer weiter, meine Augen folgen ihr erstaunt.
“Kind!” sagt Schwester Gaby. Die Landschaft öffnet sich fast unbemerkt, und meine rosa Essenz verschwindet in den Tunnel. So ist mir das eben selber auch passiert! Die Geschichte wiederholt sich! Ich sehe zu, wie sie verschwindet. Dann wird mir klar, dass ein Regenwurm sich eingemischt hat. Ich konnte ihn nicht gut verstehen, auch wenn ich gehört habe, dass er leise geredet hat. Er hat vor sich hin gebrabbelt und den Kopf geschüttelt. Er ist auch auf der Suche nach dir. Ich will hinterher, er weiß vielleicht etwas mehr. Aber ich reagiere nicht schnell genug, und ich muss ihn ziehen lassen. Ich hoffe, dass sich der Quantenwurm bald wieder meldet.
Langsam stehe ich auf, mir ist schwindelig. Ich versuche, den Schlamm von meiner Hose zu reiben, es klappt nicht, er verteilt sich nur. Egal. Ich schaue um mich. Die Pfaffenhütchen leuchten fröhlich pink, die Äpfel auf dem Boden rot, der Rest der Landschaft ist Sepia. Die Wäsche aus dem Mittelalter hängt kraftlos durch, die perfekte Kulisse für die alte Photographie. Wo sind die ängstigen Personen? Sie müssen sich hinstellen, sie müssen ganz lange stillstehen. Dann kann es immer noch sein, dass von einer Person nur die Beine zu sehen sind, oder nur der Geist, wie eine vage Wolke dort, wo die Person mal stand.
Man könnte hier auch einen schwermutigen Film drehen. Wie der wohl ausgeht? Wer bleibt am Ende noch übrig?
Das Ende dieses Filmes brauche ich nicht zu wissen, wichtiger ist, wie er angefangen hat. Denn da liegt das Geheimnis, im Anfang, das hat Goethe auch schon gesagt. Fängt dieser Film mit Krieg an, so wird am Ende Krieg übrig bleiben.
Ich weiß nicht mehr, wie der Tag angefangen hat, an dem wir uns aus den Augen verloren haben. Aber er hat noch nicht geendet. Er dauert immer weiter, der Schmerz lähmt mich. Ich muss einen neuen Film drehen, einen Film, der gut anfängt, schön. Mir eine neue Photographie ausdenken. Wir alle nebeneinander, lächelnd. Tief in die Camera Obscura hinein. Du kriegst es mit jetzt, du bist hier.
Ich habe fast genug Kraft einige Schritte zu machen und zurück zum Haus zu gehen. Dort warten sie auf mich, meine Begleiter. Sie machen sich Sorgen. Sie schauen aus dem Fenster, in den Novembernebel hinaus, sie werden gleich zu mir kommen, auch wenn ich es ihnen verboten habe. Ich muss es alleine schaffen, das müssen sie akzeptieren. Ich gucke auf den Boden, suche den Quantenwurm. Zwei Wege liegen vor mir. Links und rechts. Ich habe die freie Wahl! Wenn ich einmal gehe, sind sie gleich, ich darf mich durch das Doppelbild nicht verunsichern lassen. Man muss sich nicht immer zwischen 0 und I entscheiden. Man kann es sich in der 0 einfach bequem machen, sich dort ein Nest bauen, ein wenig schaukeln, Purzelbäume schlagen, bis man an die I stößt.
Meine Haut ist elastisch an der Innenseite, und die Körperzellen tanzen rhythmisch, ich habe es selber gesehen. Zögerlich zieht ein feines Lächeln über mein Gesicht.
Die Ewigkeit hat sich über mich ausgebreitet, ich habe sie mir anschauen können. Einen kurzen Moment habe ich alles verstanden, alles, was ist. Statt zu gehen, lasse ich mich demütig wieder auf die Knie fallen. In aufrechter Haltung ist es sehr hoch, es fühlt sich unheimlich an dort oben. Ich muss mich da langsam wieder herantasten. Wieder lernen, aufrecht zu gehen, das hat früher ja auch nicht von dem einen auf den anderen Tag geklappt, sondern es klappte jeden Tag ein wenig mehr. Aber jetzt noch nicht. Jetzt knie ich voller Ehrfurcht im nassen Gras und beuge den Kopf. Der Regenwurm ist wieder da, er guckt mich fragend an und verschwindet souverän.
Eine tiefe Dankbarkeit und Vertrautheit durchströmt mich. Schau doch, wie gelenkig ich bin. Wie gekonnt und schnell ich unter die Erde verschwinden kann, mit welcher Eleganz und Entschiedenheit.
Ich werde das Leben neu programmieren, ich werde weitergehen. Ich kann das.